Urban Knitting: Graffiti war gestern - heute wird gestrickt

Urban Knitting heißt ein aktueller Trend nicht nur in der Münchner Kunstszene: Eine Strickguerilla strickt dabei Gegenstände in der Stadt bunt ein.

Was haben die rebellisch-anarchischen Graffitis eines Sprayers und die Strickkünste einer Großmutter gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Kombiniert aber ergeben sie einen neuen Trend in der Kunstszene: Yarn Bombing oder Urban Knitting. Urban Knitting kommt, wie sollte es auch anders sein, aus den USA. Dabei schmücken  Strickguerilla-Aktivisten alle möglichen Gegenstände von Skulpturen über Bäume bis hin zu Regenrinnen mit Häkeleien oder Strickmustern und bringen so Farbe in den grauen Stadtalltag.

Urban Knitting irritiert und bringt Wärme in die Großstadt

"Als ob eine verrückt gewordene Oma durch die Stadt läuft und alles vollhäkelt", beschreibt der Münchner Künstler Klaus Erich Dietl im Interview mit der Süddeutschen Zeitung das Urban Knitting. Er strickte schon Statuen und Ziegenhörner ein und verschönerte zusammen mit Flüchtlingen aus dem Nähprojekt Fadenlauf und Künstlern mit Migrationshintergrund zwei Telefonzellen – als Zeichen für interkulturelle Kommunikation.

Während Dietl die Vorbeikommenden irritieren und zum Nachdenken anregen will, verfolgen die Texanerin Magda Sayeg und ihr Strick-Kollektiv KnittaPlease ein anderes Ziel. Sie nutzen die Wolle, um wieder Wärme in den tristen öffentlichen Raum zu bringen. Schon im Jahr 2005 strickten sie Strommasten, Telefonzellen oder Straßenlampen bunt ein und gelten damit als Erfinder des Urban Knitting.

Yarn Bombing ist jedem zugänglich, billig, leicht zu erlernen und damit eine demokratische Kunst. Die gestickten, gestrickten oder gehäkelten Graffiti haben einen klaren Vorteil im Vergleich zu den gesprayten Vorbildern: Sie hinterlassen keine Spuren und erfüllen so den Tatbestand der Sachbeschädigung meistens nicht.

Stricken liegt im Trend

Stricken als Omabeschäftigung zu verurteilen, gehört der Vergangenheit an. In vielen Großstädten wie München gibt es regelmäßige Strickkränzchen, bei denen Strickinteressierte bei Kaffee zusammensitzen und Tipps und Tricks von einer Strickdesignerin lernen. Stricken macht Spaß, entspannt und ist Sport für die Finger. Deswegen greifen auch junge Menschen zu Stricknadeln.

Politisch geht es dagegen bei der Radical-Crafting-Bewegung zu. Junge Leute nutzen das Stricken als Möglichkeit, um gegen industriell gefertigte Massenware zu protestieren. Sie schließen sich zu Gruppen zusammen, treffen sich an öffentlichen Orten zum Stricken und stellen ihre Arbeiten ins Internet.

Auch in anderen Städten hat sich das Urban Knitting mittlerweile einen festen Platz in der Stadtkunst erobert. Damit ist nicht nur München eine umstrickte Stadt. Urban Knitting ist absolut im Trend – und jeder kann mitmachen. Stricknadel und Wolle geschnappt und los geht´s!


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